· 

Elena Ferrante - eine neapolitanische Saga

Es ist schon wirklich eine Weile her, dass mich eine Buchreihe so gepackt hat, wie die Neapolitanische Saga von Elena Ferrante (Meine geniale Freundin; Die Geschichte eines neuen Namens, Die Geschichte der getrennten Wege).

 

Elena Ferrante beschreibt die Geschichte zweier Freundinnen im armen Teil von Neapel, im Rione. Sie kämpfen um den Zugang zu Bildung, der für Mädchen in den 50er Jahren  alles andere als selbstverständlich ist. Die Mitarbeit im Haushalt, im Betrieb der Eltern  – das sind die Aufgaben, die die italienische Gesellschaft den beiden Mädchen Lila und Lenù vorhält.  Aber eine Lehrerin erkennt das Talent der beiden Mädchen.  Doch nur eine erhält – wenn auch nur unter Murren der Familie – die Möglichkeit, die Schule weiterzubesuchen, und ab da nehmen ihre Leben vollkommen unterschiedliche Wendungen ein. Lenù schafft die Schule, studiert, schreibt ein erfolgreiches Buch, kann den verhassten Rione verlassen. Lila hingegen bleibt im Moloch ihres Dorfes, heiratet, kann vermeintlich gesellschaftlich aufsteigen, fällt tief, kämpft sich wieder hoch und doch bleiben sie über die Jahre miteinander verbunden – und das ist ein spannender Aspekt des Buches. Denn diese Freundschaft ist keineswegs eine Friede-Freude-Eierkuchen-Freundschaft. Lenù – die Ich-Erzählerin des Buches – reibt sich permanent an ihrer Freundin. Fühlt sich als die falsche, die ihren Lebensweg eingeschlagen hat, glaubt Lila sei viel schlauer als sie, sei besser geeignet. Kämpft permament mit Selbstzweifeln.  Sie möchte sich von ihrer Freundin lösen, und doch bleiben sie immer wieder in Kontakt und helfen sich aus der Patsche.   

 

Was macht den Reiz dieser Buchreihe für mich aus?

 

Die Geschichte des Landes

 

Es geht um Italien. Ich liebe dieses Land, habe dort selbst einmal ein paar Monate gelebt. Es ist extrem spannend, welche Kräfte in Lila und Lenús Rione und im Land insgesamt während der Jahrzehnte dieser Geschichte walten. Es geht um mafiöse Entwicklungen im Dorf, wer schafft es aufzusteigen – und mit welcher Hilfe? Es geht um faschistische Strömungen im Kampf mit den kommunistischen Strömungen. Es geht um die Arbeiterbewegung, es geht um den aufkeimenden Feminismus in den 60er Jahren.  Und all diese historischen Begebenheiten sind eingebettet in die Geschichten der gutausgearbeiteten Charaktere. Sie sind die Kulisse der Romane.

 

Mentoring und Feminismus

 

Klingt sperrig, ich weiß. Aber diese Bücher haben mir noch einmal vor Augen geführt, dass es heute wie damals wichtig ist, Unterstützer zu finden und ganz sicher auch für andere zu sein. Wir sind heute meilenweit entfernt von den Schwierigkeiten, die Lila und Lenù damals hatten, den Zugang zu Bildung zu finden, zur weiterführenden Schule zu gehen und ja sogar zu Universität. Lenù hat mit ihrer Dorflehrerin, mit einer Professorin an der Uni, letztlich sogar mit ihrer Schwiegermutter Förderer gefunden, die Lila nicht hatte. Aber mal ehrlich: Ist es heute so viel anders? Wer schafft den Weg bis zum Uniabschluss? Und wer hat es schwer? Im Job legen sich viele Frauen eher Steine in den Weg, als sich zu helfen. Zeit zum Umdenken oder?

 

Leben passiert, während du Pläne machst

 

Auch das erleben Lila und Lenù und ihr Umfeld: Sozialer Aufstieg, tiefer Fall, die große Hochzeit, eine plötzlich aufkeimende (Fremd-) Liebe, ungewollte Schwangerschaften, Fehlgeburten, aufkommender Reichtum, Verlust von allem – geplant war sicher nichts von dem, aber es passiert – und ändern kann man daran am Ende nur bedingt etwas.

 

FAZIT:

Absolute Leseempfehlung für alle, die sich Zeit nehmen wollen für eine besondere Freundschafts-Saga. Für alle, die sich für die Geschichte Italiens seit den 50er Jahren interessieren. Für alle, die Freude an einer literarischen Sprache haben, die Elena Ferrante absolut beherrscht.

Band 4 (Die Geschichte des verlorenen Kindes) erscheint  im Februar 2018 . 

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0